Der Vulkan Villarrica hält uns auf Trapp

Schon seit geraumer Zeit wusste man hier in Pucón, dass etwas bevorsteht. Am 5. Februar 2015 konnte Claudio zum ersten Mal seit 4 Jahren wieder etwas Lava im Krater des Vulkan Villarrica sehen. Am 6. Februar wurde der Vulkan dann gesperrt, keine weiteren Besteigungen mehr möglich. Mitte Februar sah man ihn schwarzen Rauch ausstoßen, Ende Februar war das erste Mal ein winziger Ausstoß von Lava zu verzeichnen – und in der Nacht zum 3. März ist er dann endgültig ausgebrochen.

Ich erinnere mich auch jetzt, gut zwei Wochen nach der Eruption, gut an diesen Tag. Aufgrund der Vorgeschichte habe ich mit meinen Mitbewohnern, Kollegen und Freunden natürlich schon oft über eine mögliche Eruption gesprochen. An diesem Tag haben meine Mitbewohnerin und ich uns dann dazu entschlossen, nach der Arbeit zum Supermarkt zu gehen und das Nötigste einzukaufen. Auf dem Zettel standen vor allem Dinge, die man nicht kochen muss und die keinen Kühlschrank benötigen. Also haben wir Brot, Kekse, Schokolade und Thunfisch gekauft. Außerdem habe ich in meinem Kopf eine Art Checkliste erstellt, was ich im Fall der Fälle einpacken müsste. Und eine gefüllte Wasserflasche stand auch bereit.

In der Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen. Normalerweise schlafe ich wie ein Stein – einmal eingeschlafen wache ich erst wieder auf, wenn der Wecker wirklich penetrant nervt. In dieser Nacht aber habe ich schlecht geschlafen, mich von links nach rechts gewälzt. Gegen kurz vor drei Uhr habe ich unseren Hund laut jaulen gehört. Da ich das Fenster offen gelassen hatte, habe ich auch nach dem Ton einer Sirene gelauscht – aber nichts gehört. Also habe ich mir dabei nichts gedacht, die Hunde sind nachts öfters mal laut.

Als dann aber kurze Zeit später unsere Gastmutter nach oben kam und rief „Chicas, levantanse, el volcán“, da wusste ich, dass es nun tatsächlich soweit war – der Vulkan Villarrica bricht aus. Dank meiner bereits vorbereiteten Checkliste im Kopf ging in der Nacht alles ruck zuck. Jeans, dicker Pullover, Jacke, Schal – nachts wird es ziemlich kalt draußen. Außerdem noch Wasser, Schokolade und Kekse. Innerhalb von Sekunden waren wir fertig und aufbruchsbereit.

Gemeinsam mit der gesamten Gastfamilie sind wir mit dem Auto ins Zentrum gefahren. Und dort war es erstaunlich ruhig. Viele Menschen sind mit Sack und Pack in Richtung der Peninsula gegangen, von Panik war aber keine Spur. Abgesehen von warmen Pullovern und Jacken war in dieser Nacht aber ganz klar das Handy das wichtigste Utensil. Weit und breit sah man Leute in ihre Mobiltelefone sprechen oder Nachrichten schreiben, denn natürlich wollte jeder wissen, ob es Familie und Freunden gut geht.

Hier im Zentrum haben wir uns also das Spektakel am Himmel angeschaut. Mittlerweile war es etwa 3:45 und es waren zwar noch Lavaausstöße zu sehen, die zu beiden Seiten des Vulkans hinabflossen, diese wurden aber von Mal zu Mal kleiner. Dennoch haben wir lange Zeit hier ausgeharrt, bis wir uns dann letztendlich gegen 6 Uhr morgens völlig durchgefroren und müde dazu entschlossen haben ins Haus zurückzukehren.

Der Vulkan hatte sich noch nicht ganz beruhigt, eine Weisheit meiner Gastmutter lautete allerdings „im Haus ist es am Sichersten, dort ist mir noch nie etwas passiert“. Na gut dachte ich mir, sie muss es ja wissen, dies war nämlich Eruption Nummer 5 in ihrem Leben. Also sind wir nach Haus, wo wir den Ofen angeschmissen und Wasser heiß gemacht haben, um uns alle wieder etwas aufzuwärmen. Die Warnung seitens der offiziellen Behörden war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz aufgehoben, eigentlich sollte man noch nicht zurück in die Häuser. Ganz wohl war mir bei dem Gedanken daher nicht wieder daheim zu sein, ich habe aber der Erfahrung vertraut, mir einen starken süßen Tee und einige Kekse dazu gegönnt und mich so langsam entspannt. Erst jetzt habe ich gemerkt wie angespannt ich die ganze Zeit war.

Mit dem Sonnenaufgang kam auch meine Ruhe wieder. Ich habe einen Blick aus dem Fenster auf den Vulkan geworfen – er wirkte ruhig. Und die ersten Aufklärungsflüge haben auch bestätigt was ich den diversen Telefongesprächen schon entnommen habe: die Eruption scheint keinen größeren Schaden angerichtet zu haben. Beruhigt bin ich dann etwa gegen 10 Uhr morgens ins Bett gegangen und pünktlich zum Mittagessen um 15 Uhr wieder aufgestanden.

Nun war ich guter Dinge, habe Wäsche gewaschen und mich für einen kleinen Spaziergang ins Zentrum fertig gemacht. Dieser Plan wurde aber ziemlich schnell durchkreuzt. Unsere Gastmutter hat verkündet, dass der Vulkan durch den Ausbruch verschlossenen ist und es daher am sichersten sei Pucón nun zu verlassen. Einen verschlossenen Vulkan Villarrica, das gab es bisher nämlich noch nie. Also habe ich wiederholt einen Notfallrucksack gepackt, schnell bei Freunden in der benachbarten Stadt Temuco gefragt ob wir dort übernachten könnten und weitere Freunde in Pucón informiert dass wir die Stadt verlassen. Glücklicherweise konnten wir auch jetzt wieder mit der Gastfamilie gemeinsam fahren. Im Nachhinein habe ich nämlich erfahren, dass die Bustickets aus Pucón heraus in Windeseile ausverkauft waren – zu dem doppelten Preis natürlich.

Von Dienstag bis Samstag war ich dann also in Temuco – und Pucón war eine Geisterstadt. Zwei Wochen lang ging dann alles seinen normalen Weg, bis ich gestern Abend kurz vor zu Bett gehen einen Facebook-Post gelesen habe: „vamos de nueva Ruca“ hieß der Titel, veröffentlicht gemeinsam mit einem Foto, das leichte Lava Ausstöße zeigt. Es geht also wieder los.

Heute, am Mittwoch, rund zwei Wochen nach der Eruption, wurde der Alarm wieder auf orange hochgestuft. Noch in der Nacht hatte ich wieder einen Notfallrucksack gepackt – nun war es schon fast Routine. Nun heißt es also abwarten was in den nächsten Tagen passieren wird, es bleibt spannend.