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Über Stock und über Stein hinauf zum Vulkan Quetrupillan
Langsam steigt die Sonne über die umliegenden Hügel, einige Strahlen erreichen schon den Bambuswald und lassen den Morgentau glitzern. Still schaue ich mich um und genieße den Anblick und die Ruhe der Natur…
So beginnt nicht etwa einer der zahlreichen Romane, nein nein, dies ist der Beginn meines Aufstiegs auf den Vulkan Quetrupillan.
Dieser schöne und idyllische Ort befindet sich etwa 1 Stunde Fahrtzeit von Pucón entfernt, gegen 8 Uhr morgens sind wir dort angekommen. Und im Gegensatz zum Vulkan Villarrica befinden sich hier nur einige wenige Gruppen, die den heutigen Aufstieg wagen wollen. Warum? Keine Ahnung, vielleicht weil dieser schlafende Vulkan zunächst weniger Nervenkitzel vermuten lässt als sein aktiver Bruder. Und in der Tat, der Aufstieg ist gänzlich anders, aber wunderschön!
Wie schon eingangs erwähnt führte uns der Weg zunächst durch einen wunderschönen naturbelassenen Bambus- und Buchenwald. Genau wie bei der Besteigung des Vulkan Villarrica haben wir uns Gamaschen um die Beine geschnallt – diesmal dienen sie vor allem dafür, dass sich die Hosenbeine nicht in den Büschen verheddern oder man mit seiner Hose unnötig viele kleine Kletten sammelt. Neben diesen kleinen Widrigkeiten gab es im Wald auch ein großes Hindernis zu überwinden und das gleich ziemlich zu Beginn. Ein riesengroßer Baumstamm lag dort quer über dem Weg. Also mussten wir uns durch die Äste kämpfen, anschließend eine geeignete Stelle finden, unserem Guide die Hand reichen und den Baum erklimmen. Noch ein kurzes Stück balancieren und auf der anderen Seite wieder runterhüpfen – geschafft.
Etwa drei Stunden sind wir durch den Wald gewandert; hoch, geradeaus, wieder ein Stückchen hoch…. Die Sonne wurde immer kräftiger und Schicht um Schicht haben wir die Jacken abgelegt. So ein Zwiebellook eignet sich wirklich hervorragend zum Wandern am frühen Morgen!
Gegen 11:30 Uhr traten wir dann nach einem letzten Anstieg aus dem Schatten der Bäume in die gleißende Sonne. Von hier hatten wir einen wunderschönen Blick auf die umliegenden Berge und den Vulkan Quetrupillan. Mit diesem Panorama um uns herum haben wir unsere erste größere Pause eingelegt. Jeder konnte einen ordentlichen Schluck Wasser trinken, etwas Leichtes essen und selbstverständlich die alt bewährte Sonnencreme auftragen. Dann ging es auch schon weiter.
Der Weg nun unterschied sich merklich vom Vorherigen. Nun ging es nicht mehr durch dichten Wald, über Stöcke und weichen Boden, sondern über Steine und Felsbrocken in der prallen Sonne. Leicht konnte man die Distanzen hier unterschätzen. Es wirkte alles so nah, wenn man allerdings genauer hinsah, konnte man in einiger Entfernung kleine Ameisen sehen, die den Berg hochkrabbelten. Diese kleinen Ameisen waren die Teilnehmer einer anderen Gruppe, die uns ein Stück voraus war. Also war der Weg doch noch ganz schön weit, wenn sie so klein wirkten… Das Tempo unserer Gruppe wurde nun immer langsamer und jedem war die Anstrengung anzumerken. Unsere Guides haben uns dazu angespornt dennoch im einheitlichen Tempo weiter zu wandern – denn das sei einfacher, als immer mal wieder schnellere und langsamere Etappen einzulegen. Nach einiger Zeit erreichten wir dann die ersten Eisfelder. Da wir mit unseren eigenen, ganz normalen Wanderschuhen, unterwegs waren, sind wir hier alle langsam und sehr vorsichtig hintereinander her gewandert, immer im Bemühen, in die Fußstapfen des Vordermannes zu treten. Nachdem das letzte Eisfeld überquert war, machten wir noch einmal eine Pause, um die letzten Energiereserven zu bündeln und den finalen Aufstieg anzugehen.
Für mich war an dieser Stelle allerdings Ende: ein deutsches Gruppenmitglied war zu erschöpft, um den Aufstieg fortzuführen. Da niemand allein auf dem Berg zurückbleiben soll, war ich als deutsche Praktikantin prädestiniert dafür, mit ihr dortzubleiben. Ein bisschen schade war es schon, schließlich waren wir wirklich dicht vor der Spitze! Andererseits war auch ich ziemlich kaputt und daher gar nicht böse um die lange Pause. Also haben wir uns einen windgeschützten Platz hinter einem Felsen gesucht, die gesamte Kleidung angelegt, das Essen ausgepackt und es uns dort auf unseren Rucksäcken bequem gemacht. Der Ausblick hier war einfach einmalig! Das ist mir vorher während des Aufstiegs gar nicht richtig aufgefallen! So saßen wir dort also, haben uns über unser Leben in Chile unterhalten und den Ausblick genossen. Welch eine schöne Pause.
Nachdem auch der andere Teil der Gruppe seine Pause auf der Spitze genossen hatte, holten sie uns ab und wir machten uns gemeinsam auf den Weg nach unten. Hier war nun deutlich zu merken, dass alle schon ziemlich erschöpft waren. Auf dem steinigen Untergrund kam man schnell ins Rutschen und auch trotz Wanderstock ist der ein oder andere von uns einmal kurz auf dem Hintern gelandet. Besser wurde es dann, als wir den Wald erreichten und von der Sonne geschützt waren. Dort habe ich mich immer gefragt „wann kommt denn endlich dieser Baumstamm zum Rüberklettern?“. Als er dann da war kam das nächste Problem: von dieser Seite aus war er schwieriger zu besteigen und unsere Muskeln waren schlapp, also wich das elegante, schwungvolle hinaufsteigen des Hinwegs nun eher einem schlaffen Hochkrabbeln – aber dennoch haben es alle geschafft. Alle bis auf einen – einer unserer Guides nämlich war neugierig was sich im Dickicht hinter dem Baumstamm befindet, ist hingegangen… und ohne Probleme auf der anderen Seite wieder rausgekommen! Ha, dieses Hindernis hätten wir also gar nicht überwinden müssen! Naja, auch egal, irgendwie gehört so ein umgefallener Baumstamm ja in einem Urwald dazu.
Nach etwa 10 Stunden haben wir unser Auto dann endlich wieder erreicht. Und uns alle direkt gierig auf den Wasserhahn mit kristallklarem frischem Bergwasser gestürzt, der sich in der Nähe des Parkplatzes befand.
Am Ende des Tages hat mir mein Handy mitgeteilt, dass ich etwa 33.000 Schritte und über 20 km zurückgelegt habe. Grund genug, um zum Abendessen Pasta zu kochen und richtig zuzulangen!